Ist Denglisch sexy?

IMG_0452Dass Denglisch die deutsche Werbung lustig macht, habe ich in meinen drei Büchern längst belegt:

Jetzt kommt ein weiterer Höhepunkt – Ich habe es nun endlich offiziell: Englisch ist sexy! 

Camera„Herr Wachmeister, nehmen Sie doch den Besitzer dieses Schaufensters in Haft. Er ruft die Bevölkerung zu einer Gewalttat auf. Auf dem Plakat steht: Treten Sie ein Loch in den Lautsprecher und sprengen Sie den ganzen Laden in die Luft“. Auf meine Empörung reagierte der junge Polizeibeamte, ein cooler Typ, gelassen: „Das liest doch keiner. Es ist eben Englisch. Was es heißt, interessiert keinen. Englisch ist sexy, sagt man, oder?“. Tja.

Aber macht Denglisch die deutsche Werbung sexy?
Ein deutscher Werbefachmann meinte neulich im Gespräch mit mir, man komme nicht mehr an Englisch vorbei: „Nehmen wir das Wort „Sale“ „, meinte er „das man ganzjährig und überall im deutschen Einzelhandel liest. Das heißt doch Schlussverkauf. Es kann nicht sein, dass der komplette deutsche Einzelhandel nur noch aus dem Schlussverkauf besteht“. Er fasste zusammen: „Deutsch ist out, langweilig. Englisch ist eben sexy. Was da steht, ist ziemlich egal.“ Reicht schon die inhaltlose Außenschale des vermeintlich Englischen?
In der deutschen Werbung gelten scheinbar seit geraumer Zeit drei Grundsätze: „Sex sells“. „Success sells“. „Denglish sells“.

CameraNirgendwo gelingt die Kombination der drei Formeln, wie auf dem Werbeplakat, auf dem sich drei selbstbewusst wirkende, in Sexy-Unterwäsche gekleidete, junge Frauen mit dem denglischen Spruch „Hello Day – Tschüss Langweiler“ lasziv in die Kamera schauend zum Besten geben (s. Foto). Erfolgreiche junge Frauen mit Sexappeal grüssen den Tag auf Englisch und verabschieden sich von Langweilern auf Deutsch.

Auf wen wirkt diese Werbung? Auf junge deutsche mit Englischkenntnissen, auch solche mit geringen Denglischkenntnissen? Ich habe sie gefragt. Viele junge Menschen finden das Bild ansprechend und den Spruch „passend“, „cool“, „sexy“, „normal“. Andere finden das Bild „sexistisch“ und den Spruch „0-8-15-Denglisch“.

Ich habe das Plakat spaßeshalber sozusagen kulturell umgedreht und mit einer „Übersetzung“ des Werbespruchs versehen: „Guten Tag – Bye-bye Bores“ und dann meinen britischen Landsleuten und amerikanischen Verwandten und Freunden gezeigt. Die Reaktion auf das Bild war, wie bei den Deutschen geteilt; die Reaktion auf den übersetzten Spruch war gleich Null. Auch die Reaktion auf den Originalspruch lässt sich durchgehend als stumm bezeichnen.

Diese Nichtreaktion wundert kaum, da weder der eine noch der andere Spruch von Englisch sprechenden Menschen ohne Deutschkenntnisse verstanden werden kann. Selbst wenn englische Muttersprachlerinnen und Muttersprachler die beiden Sprüche als deutschhaltig erkennen, gilt Deutsch im angelsächsischen Raum bestenfalls in den Bereichen Auto und Fußball als „sexy“, aber sonst kaum. „Vorsprung durch Technik“, den Werbespruch von Audi, oder „Volkswagen – Das Auto“, finden zum Beispiel meine Landsleute „cool“, „sexy“ und assoziieren Deutsch mit „Technik“ und „erfolgreich“. Die genaue Bedeutung der Sprüche interessiert sie nicht.

Wenden wir uns nun einer sehr speziellen Zielgruppe zu, den Zigarre rauchenden in Deutschland. Auf dem denglischsprachigen Plakat „Abwechslung macht Freude“ schauen diesmal vier in Sexy-Bikinis gekleidete junge Frauen lasziv in die Kamera. Anders als auf dem „Tschüss-Langweiler-Plakat“, bei dem es sich um den Verkauf der präsentierten Unterwäsche handelt, geht es beim zweiten Plakat um den Verkauf von vier unterschiedlichen Zigarren. Die vier in Röhrchen verschiedenfarbig verpackten Zigarren werden implizit auf Englisch als „red tube“, „blue tube“, „black tube“, „green tube“ den vier Frauen zugeordnet, deren Bikinis ebenfalls verschiedenfarbig sind. Die Werbebotschaft empfinden viele als ansprechend, aber auch viele wiederum als eindeutig sexistisch und rassistisch. Eine amerikanische Leserin verstand die Botschaft des Plakats, ohne den deutschen Spruch zu verstehen; sie fasste zusammen: „Abwechslung beim Verzehr von unterschiedlich farbigen Zigarren und unterschiedlich farbigen Frauen macht dich glücklich!“ (s. Foto im Anhang).
„Das ist doch eine B-Werbung, unterste Schublade“, meinte eine andere deutsche Leserin. „Ich habe den Eindruck,“ fuhr sie fort „als ob sich die Plakatmacher hinter Denglisch verstecken. Sie verkriechen sich unter eine Käseglocke, unter der sie sich alles erlauben können“.

CameraApropos Versteck: „Affair Apartment“ als denglische Version des „Seitensprunghotels“ las ich neulich auf einem abgestellten PKW-Anhänger. Ein Leser meinte: „Die denglische Version klingt nun mal sexy!“. Meine Landsleute finden, dass dieser Trailer von einem zweifelhaften Sexappeal zeugt. Zudem wirkt die öffentliche Ankündigung wie eine offene Einladung an Privatdetektive und Paparazzi. „Vor meinem geistigen Auge sehe ich sie mit ihren Kameras hinter einer Hecke auf der Lauer!“, meinte meine 87jährige Mutter.

Vielleicht sollte das Geschäftsmodell überdacht werden. Danach erst empfiehlt sich die Telnahme an einem VHS-Denglischkurs für Fortgeschrittene.

Aber, überzeugen Sie sich selbst (s. Foto).

Ab Herbst 2014 biete ich das Denglisch-Diplom an.

Ihr

Dipl. Deng. Robert Tonks


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